Liebe Nina, in eurem Familienhotel, dem Bio-Berghotel Ifenblick, bist du schon seit vielen Jahren als Küchenchefin tätig. Woher kommt deine Leidenschaft fürs Kochen? Die ist tief in der DNA verwurzelt und hat auch ungefähr 18 Jahre gebraucht, bis sie überhaupt zum Vorschein kam. Ich wollte lieber Modedesignerin oder Schauspielerin werden, aber irgendwann hab ich dann gemerkt, ok, man kommt den Genen und der Berufung nicht aus.
Du schreibst, dass Essen die Welt verbessern kann. Wie meinst du das? Es gibt einmal den Weg der Verbesserung durch das gut verarbeitete Produkt, also durch die gut erzeugten Lebensmittel. Zum anderen glaube ich, es verbessert die Welt, wenn man sich die Zeit nimmt zum Kochen für sich selber, aber auch für andere. Und auch, wenn man die Zeit hat, zu essen. Als ich klein war, kam das gerade so auf, dass man Butterbrezen kaufen konnte in der Bäckerei. Also dieses Snack-Angebot gab es nicht vor 30 Jahren. Jetzt ist es so oft ein nebenbei. Mir geht es gar nicht darum, dass man sieben Tage die Woche am Tisch sitzen muss – wer macht das überhaupt? Gibt es Menschen, die das hinkriegen? Ich fände es ja schon großartig, wenn man es eben zwei Mal in der Woche bewusst hinkriegt. Zum Beispiel, wenn man Spaghetti Bolognese kocht, denn die Bolognese kocht sich eben nicht in einer halben Stunde. Die Zeit nimmt man sich dann als ganz bewusste Auszeit. Und selbst wenn es nicht dieser Vorgang ist, sondern ein, ich koche zwischen Tür und Angel, ist es genauso gut. Ich glaube, das macht einfach viel mit den Leuten, wenn man kocht für sich, aber auch für andere.
Also in gewisser Weise eine Art Entschleunigung vom Alltag? Ja. Ich hasse ja Begriffe wie Entschleunigung und Achtsamkeit, aber schlussendlich ist es genau das, was es ausmacht.
Hat man das im Privaten überhaupt noch, wenn man Spitzenköchin ist? Oh Gott, ich koche nie für mich selbst, niemals. Ich esse am liebsten Butterbrot zu Hause. Butterbrot und Kokosjoghurt; das sind gerade meine neuen Obsessions.
Ihr habt euch in eurem Hotel dafür entschieden, die Buffetform zu wählen. Wie kam es dazu? Ich glaube, in dieser Konsequenz, sind wir die Einzigen auf ziemlich weiter Flur, die so arbeiten. Das kam so: Anfang der 2000er war die BSE-Krise, die auch die Gastronomie hart getroffen hat. Mein Vater hat damals überlegt, woher das kommt bzw. was die Auslöser sind und sich gefragt, warum wir überhaupt Fleisch in Vakuumbeuteln kaufen. Wenn man überlegt, dass wir damals ganz klassisch Halbpension gekocht haben, lief es etwa so ab: Morgens lag am Frühstückstisch die Menükarte, bei der man ankreuzen musste. Dann gab es z. B. 100 Gäste und es gab Schnitzel, Forelle und grüne Nudeln mit Pilzrahmsauce. Dann haben damals, Anfang der 2000er, 80 Leute Schnitzel gegessen, 15 Forelle und fünf Nudeln gewählt. Und für diese 80 Schnitzel brauchst du – sagen wir mal drei Schweinerücken, wenn man die Schnitzel aus dem Rücken schneidet – das kann man besser verbildlichen. Dann brauchst du eineinhalb geschlachtete Schweine, um diese drei Rücken zu bekommen. Und was passiert mit dem Rest? Wo geht der Rest hin? Wer verarbeitet das? Warum muss das so sein? Mein Vater hat damals beschlossen, dass er darauf keine Lust mehr hat. Er wollte es anders machen, anders einkaufen. Aber es war klar, wenn er anders einkauft und ganze Tier kauft, kann er nicht für 80 Personen Schnitzel haben. Er hat dann festgestellt, dass ja auch anderes gegessen wird, wenn es in Buffetform ist. Dann essen die Gäste nicht nur die Schnitzel, sondern auch Ragout, Schweinegulasch, Pilzrahmsauce und Spaghetti. Damals haben wir damit begonnen, ganze Tiere zu verarbeiten und auf saisonale Angebote einzugehen. Saisonales Angebot heißt zum Beispiel, dass meine Gemüsebäuerin Pia mich anruft und sagt: „Ich hab 50 Kilo Zucchini. Kannst du damit was anfangen?“ Und dann sag ich „Klar, kann ich, bring sie vorbei.“ Dann gibt es halt gepickelte Zucchini, Zucchinisuppe und Zucchinikuchen. Dann kann man auf sowas reagieren und dann ist es farm-to-table. Das machen wir seit 20 Jahren, ohne dafür schicke Worte zu verwenden.
Wie ist das bei euch mit eurem nose-to-tail Konzept? Wie kommt es an, wenn Innereien verarbeitet werden? Ich kaufe z. B. ganze Kitz. Und wenn ich dort zehn bekomme, mache ich Leberwurst. Hähnchen-Innereien sind auch kein Stress. Auch Kalbsleber oder Kalbszunge funktionieren gut. Nur bei Nieren oder Kutteln hört für mich der Spaß auf. Ich koche halt nur, was ich mag und das mag ich leider nicht. Die lasse ich also gern beim Metzger.
Ist generell in der Hotellerie und Gastronomie ein Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit zu beobachten? Sind auch KollegInnen aus konventionellen Betrieben bereit für ein Umdenken? Auf jeden Fall, es bleibt ihnen zum Teil auch nichts Anderes übrig, weil die KonsumentInnen bzw. die Gäste es sich wünschen. Es gibt jetzt auch schon so viele Bio-Convenience-Produkte, die vegan sind. Das war vor fünf Jahren noch eine ganz andere Hausnummer. Das ist jetzt viel, viel sichtbarer. Natürlich wird das mehr und auch berechtigterweise. Gerne mehr und gerne schnell viel mehr!
Du bezeichnest deine Küche als Wohlfühlküche aus 2/3 Klassikern und 1/3 exzentrischer Fusion. Was kann man darunter verstehen? Zwei Drittel Klassiker sind das, was man auch als Klassiker kennt, etwa Rindsrouladen oder Kässpätzle. Das Drittel Exzentrik kommt daher, dass ich z. B. zu den Kässpätzle Miso-Zwiebeln und Bratapfel reiche, oder dass ich Cumberland-Sauce zu Rautkraut und Dim Sum serviere.